02.01.2015
Was wäre Kehl heute wohl ohne Auenheim? Von der Eingliederung des Ortsteils vor exakt 40 Jahren profitiert die Stadt heute noch. Der Widerstand war groß - doch der Ortsteil hat sich seitdem gut integriert.
Als Auenheim nach Kehl eingemeindet wurde, war Sanja Tömmes gerade mal zwei Jahre alt. Heute ist sie Ortsvorsteherin eines Kehler Ortsteils - und damit Teil eines politischen Gemeinwesens, gegen das ihre Vorgänger damals mit allen Mitteln Widerstand geleitstet haben.
Der Ortsteil im Stadtnorden war - wohl zusammen mit Goldscheuer - das »Juwel« schlechthin, das der damalige Kehler OB Trudbert Müller unbedingt in den Schoß der künftigen Großen Kreisstadt holen wollte. Um sich weiterentwickeln zu können, brauchte Kehl die nördlichen Ortsteile, weil eine Ausdehnung nach Westen, also über den Rhein hinweg, nicht möglich sei, hatte Müller immer wieder argumentiert.
Doch die Gemeinde wollte mit allen Mitteln für den Erhalt der Selbständigkeit kämpfen, erinnert sich Walter Ross, 33 Jahre lang Ratschreiber in Auenheim. Und die Gemeinde hatte gute Argumente. Das Kieswerk Prestel bescherte Auenheim seit jeher eine solide Einnahmebasis. 1968 bauten die Badischen Stahlwerke ihr Stahlwerk am Rhein - auf Auenheimer Gemarkung. Und zur damaligen Zeit begannen auch allmählich die ersten Gewerbesteuer-Zahlungen in die Auenheimer Gemeindekasse zu fließen. Auch der Kehler Hafen ist nicht nur ein Kehler, sondern auch ein Auenheimer Hafen.
Und so konnte die Gemeidne kräftig investieren: das Lehrer- und das Arzthaus, neues Feuerwehrhaus, neues Rathaus, Sport- und Festhalle, Friedhof mit großer Einsegnungshalle - alles war schon da. Der größte Teil des Dorfes war an die Kanalisation angeschlossen. Sogar die Planung eines Freibades für 3,5 Millionen Mark konnte sich Auenheim leisten, und das sollte sogar beheizt sein - das hatte nicht einmal Kehl damals vorzuweisen! Und bis auf den Ausbau der Kanalisation, der unter der Regie des Abwasser-zweckverandes Kinzigmündung stand und von diesem auch mit Krediten finanziert wurde, konnten alle anderen Großprojekte ohne neue Schulden gestemmt werden.
Bürgermeister Albert Heidt (SPD) versuchte denn auch alles, Auenheim wenigstens als Teilverwaltungsraum zu erhalten. Verschiedene Minister wurden persönlich angeschrieben; Heidt selbst sprach mehrmals bei den zuständigen Stellen in der Landeshauptstadt Stuttgart vor. Vergeblich.
Und auch der Versuch, eine große Nord-Gemeinde zu bilden mit Leutesheim, Bodersweier und Zierolshofen, scheiterte - nicht zuletzt an den Eifersüchteleien zwischen den beiden »Alpha-Tieren« Heidt und August Karch (Leutesheim). Zudem fuchste es den Auenheimer Schultes, dass die Landesregierung gerade im - überweigend CDU-regierten - Kinzigtal viele kleine Gemeinden selbständig ließ, die weit weniger Einwohner und weniger Finanzkraft hatten als Auenheim. Eine Bürgeranhörung im Januar 1974 brachte denn auch ein eindeutiges Ergebnis. 88,3 Prozent gaben ihre Stimme ab - und das mit 97,5 Prozent gegen die Eingemeindung.
Anschließend formierte sich ein Protestzug vom Gasthaus »Blume« zum Rathaus. Viele kamen in Schlappen - wohl um zu zeigen: »Wir bleiben daheim«. Und »Blume«-Wirt Ferdinand Strasser trug die weiße Fahne vorweg.
Doch auch über all dies setzte sich der Verwaltungs-reformausschuss in Stuttgart hinweg. Die Aussage des damaligen Innenministers Schieß, dass gegen den Willen der Bürger keine Gemeindegebietsveränderungen vorgenommen würden, musste Albert Heidt wie Hohn vorkommen. »Hier sind offensichtlich politische Entscheidungen gefallen und keine Sachenscheidungen«, schimpfte Heidt in einem Beitrag fürs Amtsblatt vom 31. Dezember 1974.
Und so entschloss sich Auenheim zum Beitritt zur Stadt Kehl zum 1. Januar 1975. Bei der Abstimmung im Dezember 1974 votierten immer noch zwei Ratsmitglieder dagegen. Den Restbetrag in der Kasse von 40.000 Mark beschloss man, für den Bau eines Glockenturms an der Friedhofskapelle zu verwenden - etwa getreu der Devise: »Mir schenke denne nix«.
Dennoch hat sich Auenheim seitdem »gut integriert«, meint Günter Möstel, langjähriger Gemeinde- und Ortschaftsrat. Auenheim war sogar einer der ersten Ortschaftsräte, die für die Abschaffung der unechten Teilortswahl votierten. Auch das Verhältnis zu den BSW, das zeitweise sehr angespannt war, hat sich inzwischen merklich entkrampft. Dennoch knirscht es immer wieder zwischen der Zentrale und den Ortsteilen. Und das liegt nicht nur an der Entfernung, klagt Sanja Tömmes. »In der Kehler Verwaltung fehlt es an Personal.«
von: Michael Müller
aus: Kehler Zeitung vom 02.01.15