05.04.2017
Der Auenheimer hat sein Lebenswerk vollendet: einen Film über den Eisvogel
Der Eisvogel - ein bunter Vogel, ein "fliegender Edelstein", fasziniert den Auenheimer Kurt Volk, wie er sagt, schon seit seiner Kindheit. Nun hat der 86-Jährige einen Film über den äußerst seltenen Vogel gedreht.
Bald wird er 86 – am 21. April. Die sieht man ihm nicht an. Vielleicht,
weil er viel draußen ist. In der freien Natur. Zum Geburtstag hatte sich
Kurt Volk vor ein paar Jahren von seinen Kindern ein
Plastikblätter-Netz, waidmannsgrüne Hosen und eine Kappe schenken
lassen. Zum Tarnen. Nicht gegen böse Feinde, sondern ganz unmartialisch,
um vom scheuen Eisvogel draußen am Auenheimer Altrhein nicht entdeckt
zu werden.
Über den wollte er schon immer einen Film drehen, denn das ist ein sich äußerst rar machender heimischer Vogel. Er weiß, wo er ihn findet. Wo? Pssst! erlächelt wissend – und schweigt. Wird nicht verraten. Der bunte Vogel, ein »fliegender Edelstein«, wie er sagt, fasziniert ihn seit seiner Kindheit. Und die ist schon lange her.
Eisvogel filmen, das geht nicht ohne Tarnung und schon gar nicht ohne
Stativ. Und so hatte er sich mit keuschem Schuhwerk an den Füßen drei
Jahre lang – jeweils von März bis September – fast täglich sich auf die
Spuren des Eisvogels gemacht. Über Springkraut ist er gesprungen, hat Leitplanken überklettert und sich an Brombeersträuchern die Haut aufgerissen.
Psssst!
Hinter dem Tarnnetz, das an Zweigen befestigt
war, hatte er darauf achten müssen, dass kein Muggesäggele Menschsein
die schöne Stille der Natur stört. Pssst! »Dort, wo ich war, isch nie
ein Mensch annekumme, dort het mich nie ein Mensch gesehen.«
Auch der Eisvogel nicht, denn sonst hätte er nicht unzählige Stunden
Videomaterial aufnehmen können. Manchmal sogar sechs Stunden an einem
Stück. Manchmal ist seiner Gattin Elsbeth zu Hause sogar der Kohl
verkohlt, weil »der Saddan einfach net heimkumme isch«. Klar, wenn der
Eisvogel gerade mal wieder Kapriolen schlägt. Auf Eisvogel-Pirsch
ging der Volk mit einer digitalen Kamera mit 80-fachen Zoom. Der ist
nötig, denn wie anders soll man den umsichtigen Vogel so nahe herholen,
dass man die Farbe des Schnabels und somit das Geschlecht erkennt. Beim
»Ansitzen« hat er natürlich auch andere Tiere vor die Linse und auf den
Kamerachip bekommen: Die Kanada-Gans nebst Nachwuchs, den seltenen
Zwergtaucher und den gar nicht grünschnabligen Grünschenkel.
Und dann regnet es. In Strömen.
Aus der Ferne
klopft der Specht, die Nutria schwimmt »schwäbisch«, fächelt sich also
mit ihren Pfoten Wasserlinsen, eine Nutria-Delikatesse, ins weit offene
Maul. Libellen landen auf dünnem Blattwerk, Feuerkäfer aalen sich im
Sunnewetterle, der Kaisermantel schmettert mit den Flügeln und saugt
dabei Nektar aus der gelben Iris.
Und dann regnet es. In Strömen. Doch der Volke-Kurt bleibt, harrt aus, bis der Eisvogel sich die Regentropfen aus dem Gefieder schüttelt. »Erstaunlich, wie die Natur nach einem Regenguss auflebt«. Und als man Rheinwasser im Auenheimer Auenwald verteilt und flutet, wird ihm angst und bang. Nicht um ihn, er kann ja heim, nach Hause gehen, aber um den Eisvogel, dessen Nachwuchs in den Höhlen im Lehm zu ertrinken drohen. Die Film-Musik wird dramatisch. Gerade noch mal gut gegangen.
Grün, so weit das Auge reicht. Und Wasser. Altrheinwasser. Platsch! Musik und Wasser plätschern, aber nein, keine Wassermusik. Stattdessen Grieg, die Morgenstimmung. Auch am Nachmittag. Und wenn es bedrohlich wird, steigern Molltöne die Dramatik.
Vier Junge tirilieren
Dann endlich, nach knapp
38 Minuten das erste Eisvogel-Junge mit weißem Fleck an der
Schnabelspitze. Zum allerersten Mal im Tageslicht, mit einem kleinen
Stichling aus der heimeligen Höhle gelockt vom schlauen Eisvogelpapa.
Und zack – auf einmal ist die ganze Meute da. Vier Junge tirilieren fast
schon mozartesk, flattern mit den noch ungeübten Flügeln, üben sich im
Tauchen und Fischen, denn wer da versagt, der wird nicht überleben.
Das Junge taucht und fängt seinen ersten Fisch und frisst ihn – Fischkopf voraus – mit Haut und Haar. »Des het en schwarzer Unterschnabel, also isch’s e Männl«, weiß Elisabeth. Überhaupt. Fast meint man, man hätte eine auf zwei Beinen wandelnde Hanauerland-Ausgabe des Brehm’schen Tierlebens vor sich.
Endlich alles im Kasten. Jetzt wird geschnitten. Auch das frisst Zeit,
viel Zeit. Fast noch mehr als das Aufnehmen. Das erfordert eine
Mega-Familienpackung Geduld. Und ist Grund für ehe-interne Diskussionen.
»Es ist ein großes Glück, dass Elsbeth sich für mein Intensiv-Hobby
interessiert«, freut sich Volk darüber. Und über das gelungene Werk.
"Das ist mein Lebenswerk"
»Vom Eis-Vogel geht
eine Faszination aus, des tut mich richtig hypnotisiere«, sagt er und
philosophiert mit der Weisheit des Alters: »Wer rastet, der rostet.« Und
in der Tat, mit seinen fast 86 Jährle ist da noch jede Menge
unverrostetetes Eisen im Entdecker-Blut.
In welchem Paradies wir leben, wird mir nach den 46 Minuten Eisvogelfilm
mal wieder bewusst. »Das ist mein Lebenswerk«, sagt er, nicht ohne
berechtigten Stolz. Eins, das der Nachwelt unbedingt erhalten werden
soll.
VON: Gerd Birsner
AUS: Kehler Zeitung vom 03.04.2017