LKW-Lenkungskonzept

08.05.2018

Frust und Resignation im Kehler Norden: Das geplante Lkw-Lenkungskonzept bringt keine Entlastung in den Ortschaften Leutesheim und Auenheim sowie mehr Schwerverkehr auf der EDF-Straße.

Kehl-Leutesheim/Auenheim. Das Handtuch werfen? Den Aufstand proben? Oder eine Mischung aus beidem? Die Ortschaftsräte in Leutesheim und Auenheim mussten sich in Sachen Lkw-Lenkungskonzept am Montagabend entscheiden. Den beiden Ratssitzungen vorausgegangen war ein gemeinsames Treffen in der „Litzemer“ Mehrzweckhalle, bei dem Frank Gericke vom Büro Modus Consult die Beschlussvorlage für das Konzept vorstellte. Über das Gemeinschaftsprojekt der Städte Kehl und Rheinau sowie der Gemeinde Neuried stimmt heute Abend der Kehler Gemeinderat ab.
Das Treffen der beiden Ortschaftsräte war das zweite dieser Art. Im Februar 2017 hatten sich die Auenheimer und Leutesheimer schon einmal getroffen, um gemeinsam über das geplante Lkw-Lenkungskonzept zu beraten. Dieses soll unter anderem den Schwerlastverkehr auf der L75 (ehemals B36) zwischen Freistett und Kehl senken, ohne jedoch dabei die umliegenden Ortschaften mehr zu belasten. Beide Ortschaftsräte hatten damals die von der Kehler Stadtverwaltung favorisierte Lösung, nämlich ein Durchfahrtsverbot für Lkw über 3,5 Tonnen auf der L75, abgelehnt und stattdessen ein zusätzliches Nachtfahrverbot für Laster im gesamten Kehler Norden gefordert.
Das Nachtfahrverbot haben allerdings die Rheinauer abgelehnt. Auch der Kehler Gemeinderat hatte sich vergangenes Jahr für eine Variante des Plans ausgesprochen, der nur ein Durchfahrtsverbot auf der L75 vorsieht. In der Beschlussvorlage, über die der Rat heute abstimmen wird, findet sich wieder keine Antwort auf die Nöte der „Auemer“ und „Litzemer“. So sehen das jedenfalls die betroffenen Ortschaften.
Verkehrsplaner Frank Gericke ist anderer Meinung. Seinen Berechnungen zufolge wird ein Durchfahrtverbot für Lkw über 3,5 Tonnen einen Rückgang von etwa 700 Brummis pro Tag auf der L75 nach sich ziehen. Die L75 verbindet Rheinau über Bodersweier mit Kehl. „Für Leutesheim und Auenheim hat das keine negativen Auswirkungen“, ist Gericke sich sicher. „Aber auch keine positiven“, gibt er zu. Der Verkehr verlagert sich seiner Meinung nach auf die mautpflichtige A5 und die B28. Die Anzahl der Lkw auf der EDF-Straße würde sich zudem um 200 pro Tag erhöhen. Soweit die Theorie.
Dass das in der Praxis so funktioniert, davon geht im Leutesheimer und im Auenheimer Ortschaftsrat allerdings niemand aus. Schon allein deshalb, weil sich das Durchfahrtsverbot auf der L75 schlecht kontrollieren lässt. Der Lieferverkehr von Freistett herkommend wäre bis Bodersweier frei, aus Richtung Kehl wäre er bis Rheinbischofsheim frei. Gerickes Berechnungen basieren auf der Annahme, dass sich alle Lkw-Fahrer an das Verbot halten – und immer brav die Wahrheit sagen, wenn sie bei einer Kontrolle gefragt werden, wo sie hinwollen.
„Wir wollen eine gute Lösung, die kontrollierbar ist und die uns eine Entlastung in den Ortschaften bringt“, forderte Auenheims Ortsvorsteherin Sanja Tömmes auf dem gemeinsamen Treffen. Der Leutesheimer Rathaus-Chef blies ins gleiche Horn: „Wenn man so ein Konzept macht, muss man die Besonderheiten im Ort berücksichtigen“, sagte Heinz Faulhaber. Der Schwerlastverkehr in „Litze“ sei schon jetzt „unvertretbar“. In der Ortsmitte träfen sich Fahrzeuge aus fünf Richtungen. An sechs Stellen sei die Badener Straße weniger als vier Meter breit. Wenn sich dort zwei Lkw träfen, müsse einer regelmäßig auf den Gehweg ausweichen. Faulhaber verwies auf Nachbargemeinden, in denen die Verkehrssituation bereits durch 30er-Zonen verbessert wurde. „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, dass in dem Gutachten keine derartigen Maßnahmen für Leutesheim aufgeführt sind.“

Die Entscheidung des Ortschaftsrats Leutesheim

„Sie werden unsere Nöte nicht mehr einbauen“, prophezeite Ortschaftsrat Hans Bartelme (Freie Wähler) mit Blick auf die Abstimmung im Gemeinderat heute Abend. „Und um irgendeinen Plan kommen wir nicht herum.“ 

Er plädierte deshalb dafür, dem Kehler Konzept zuzustimmen, mit der Bedingung, dass vor und nach dessen Umsetzung eine Verkehrszählung im Ort durchgeführt wird. „Die wird zeigen, dass sich der Verkehr erhöht hat“, ist er sich sicher. Und dann müsse eine Lösung her. „In die können wir auch die Tanklaster und alles andere einbauen.“ Da die EDF-Straße für Gefahrguttransporte gesperrt ist, fahren viele der Lkw, die vom Honauer Tanklager Richtung Süden wollen, durch Leutesheim durch – ein Problem, mit dem sich „Litze“ schon seit Jahren herumschlägt. „Ich kann mir vorstellen, dass wir auf diese Weise mehr Erfolg haben, als wenn wir das Konzept jetzt einfach nur ablehnen“, so Bartelme. Rückenwind erhielt er von seiner Amtskollegin Margot Wohlbold-Melet (SPD): „Was wir heute beschließen, ist die Verkehrsreduzierung auf der B36. Das war der Auftrag an Gericke und das hat er auch geliefert. Womit er nicht beauftragt war, und was aber jetzt als zweiter Schritt folgen muss, ist die Lösung der Schwierigkeiten, die sich dadurch für unsere beiden Dörfer ergeben.“ Ganz anderer Meinung waren allerdings die restlichen sechs Ortschaftsräte. „Ich tue mich mit allen Varianten des Konzepts schwer“, sagte Hans Baas (SPD). „Außer mit Variante sechs [mit zusätzlichem Nachtfahrverbot, Anm. d. Red.].“ Er verwies darauf, dass die L75 eine ehemalige Bundesstraße ist, die Abmessungen habe, von „denen alle träumen“ würden. Zudem habe sie bereits eine neue Decke und 30er-Zonen bekommen. Und jetzt noch das Durchfahrtverbot: „Diese hundertprozentige Wunscherfüllung geht zu unseren Lasten“, protestierte er. Das Konzept wurde denn auch mit sechs Stimmen abgelehnt, zwei Räte enthielten sich (Wohlbold-Melet und Bartelme).

Die Entscheidung des Ortschaftsrats Auenheim

Für Sanja Tömmes hat Frank Gericke seinen Auftrag nicht erfüllt. „Er sollte negative Wirkungen auf die Ortschaften vermeiden. Und das ist nicht passiert“, sagte sie am Montagabend im Rahmen des gemeinsamen Termins mit den Leutesheimern. Dennoch hat der Ortschaftsrat der Vorlage später in seiner Sitzung in Auenheim zugestimmt (mit einer Enthaltung). „Wir haben die Kröte geschluckt“, beschrieb Tömmes die Situation gegenüber der KEHLER ZEITUNG. Der Auenheimer Rat hatte sich 2017 für ein Nachtfahrverbot für Lkw ausgesprochen. „Aber diese Variante stand ja jetzt nicht mehr zur Diskussion“, bedauerte Tömmes. Der Ortschaftsrat fühle sich abgespeist, das jetzige Konzept sei für die Auenheimer nicht befriedigend: „Man kann nicht eine Verbesserung für die L75 suchen, alle anderen dann aber mit einer Verschlechterung leben lassen“, sagte sie. Sie monierte zudem, dass die Zahlen, auf denen das Konzept fußt, nicht aktuell seien. In der Tat stammt die Verkehrszählung aus 2012: „Da gab es noch keine 30er-Zonen auf der L75.“ Das Verkehrsaufkommen auf der L75 habe seitdem abgenommen – zu Ungunsten der EDF-Straße. Für die EDF-Straße müsse unbedingt eine Lösung her. Sie werde das auch heute im Gemeinderat fordern, so Tömmes.

Wie geht es weiter?

Die Ortschaftsräte haben beim Lkw-Lenkungskonzept nur ein Anhörungsrecht. Entscheiden wird der Gemeinderat. Sollte dieser die Vorlage heute Abend durchwinken, wird das Konzept gemeinsam von Kehl, Neuried, Rheinau und eventuell Willstätt beim Landratsamt eingereicht. Dieses prüft dann, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung gegeben sind – also zum Beispiel auch, ob die EDF-Straße, die ursprünglich als Behelfsstraße gebaut wurde, für ein höheres Schwerlastverkehr-Aufkommen geeignet ist oder ob sie dafür erst ertüchtigt werden muss. Wie der Verkehr im Falle von Baumaßnahmen auf der EDF-Straße umgeleitet wird und was das für die Ortschaften Auenheim und Leutesheim bedeutet, konnte Verkehrsplaner Frank Gericke am Montagabend nicht sagen.

VON: Antje Ritzert

 
 

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