Handarbeit prägt das Geschäft des Auenheimers

07.06.2021

Seit 100 Jahren schon gibt es Pflänzchen aus Auenheim auf dem Kehler Wochenmarkt. 95 Prozent der Ware am Stand ist selbst gezogen.

Dienstags und freitags wird es lebendig auf dem Marktplatz. Der Wochenmarkt ist Anziehungspunkt für viele Kehler, aber auch die Menschen aus dem Elsass und dem Umland schätzen das große Marktangebot in Kehl. Manche lassen sich von den farbenfrohen Auslagen inspirieren, andere wissen genau, was sie suchen und zu wem sie gehen. Die Marktbeschicker sind immer da, bei jedem Wetter, oft schon seit vielen Jahren. Wir stellen in unserer Serie die Händler aus Kehl und Willstätt vor.

„Wir sind schon ewig auf dem Markt“, sagt Stefan Landenberger, Gärtner aus Auenheim. Schon um 1920 herum stand sein Großvater auf dem Marktplatz, in den 60er Jahren übernahm der Vater den Marktstand. Stefan Landenberger kommt mittlerweile auch auf bald 40 Jahre Markterfahrung, und mit Tochter Lisa steht schon die nächste Generation hinter den Töpfen und Setzlingen aus „Auene“.

110 Betriebsjahre

„Wir kommen locker auf 110 Betriebsjahre“, sagt er stolz. Auf einem Hektar bauen die Landenbergers 95 Prozent von dem an, was sie auf dem Markt verkaufen: Salat- und Tomatenpflänzchen, Geranien und weitere Beet- und Balkonblumen − doch die Nachfrage geht zurück. „Viele Leute haben nur noch Rasen oder Steinplatten im Garten, da wird nicht mehr viel gepflanzt“, sagt der Gärtner. Früher hat er eine Viertelmillion Salatpflänzchen im Jahr vorgezogen – heute kaufen viele Gartenbesitzer lieber den fertigen Salatkopf im Supermarkt. Andere finden es „zu teuer“ auf dem Markt, da sie im Baumarkt die Massenware günstiger bekommen.

Bei Stefan Landenberger ist alles noch Handarbeit – das Gärtnern ist ein arbeitsintensives Geschäft. „Reich wird man damit nicht“, sagt er. „Die Kosten laufen uns davon.“ Die neu eingeführte CO2-Steuer verteure die Heizkosten für die Gewächshäuser, auch die Preise für die Blumentöpfe steigen: Plastik wird aus Erdöl gemacht und ebenfalls besteuert. Die Alternativen aus Pappe oder gepresstem Torf seien bei weitem nicht gleichwertig, so Landenberger. Auch die Lohnkosten für die Saisonarbeiter steigen, was die Produktionskosten erhöhe. Nicht zuletzt steige auch der Aufwand für die Bürokratie: „Ich sitze viel mehr im Büro als früher“, sagt er.

Gärtner Stefan Landenberger sieht bei den Menschen das Wissen um die Natur schwinden. ©Nina Saam
Gärtner Stefan Landenberger sieht bei den Menschen das Wissen um die Natur schwinden. ©Nina Saam

Trotz allem mag er seine Arbeit und geht gerne auf dem Markt. „Ich kann mir nichts anderes vorstellen“, sagt er. Er hat Spaß daran, seine Setzlinge aufzuziehen, neue Züchtungen auszuprobieren und die Kunden zu beraten. Der Wochenmarkt sei sozialer Treffpunkt für Leute jeden Alters. Vor allem für die Älteren sei der Gang zum Markt geradezu essenziell −vor allem in Zeiten der Pandemie, wo die Möglichkeiten, andere Menschen zu treffen, stark eingeschränkt sind. Vielen bringt Stefan Landenberger nach Marktschluss die Pflanzen auch nach Hause. „Da sieht man so einiges“, gibt er zu bedenken.

Senioren beispielsweise, die mit einer bescheidenen Rente in ihrem kleinen Häuschen leben: „Ein Tisch, zwei Stühle, mehr steht da nicht mehr drin“, erzählt er. „Aber sie bestehen darauf, jedes Pflänzchen zu bezahlen.“ Andere kämen im dicken Pelzmantel an den Stand, meckerten über die Preise und fingen an zu feilschen.


Naturwissen schwindet


Der Gärtner hat beobachtet, dass bei den Menschen das Wissen um die Natur, die Landwirtschaft und die Produktion der Nahrung schwindet. „Die Kinder kennen keine Pflanzen mehr“, sagt er. Eine Entwicklung, die er kritisch sieht: „Wenn die Alten weg sind, gibt es auch keinen Wochenmarkt mehr – und eine Stadt ohne Wochenmarkt ist tot“, ist er überzeugt.

aus: bo.de
von: Nina Saam

 
 

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