17.06.2022
Seit 45 Jahren widmet sich der Dampfbahn-Club Auenheim dem Nachbau historischer Lokomotiven. Bei den öffentlichen Fahrten im clubeigenen Park springt die Begeisterung rasch auf die Besucher über.
Eiserne Kolben, Kessel und Rohre, von Hand geschraubte Blechplatten, Schornsteine, die weißen Brodem ausstoßen, und schwere Räder, die sich unisono in Bewegung setzen: die Technik alter Dampfloks fasziniert bis heute. Für den Dampfbahn-Club Auenheim sind sie Leidenschaft und Lebensaufgabe zugleich. Er wurde vor 45 Jahren von dem Elektriker Willi Strasser, seiner Ehefrau Liliane sowie ihrem Vater Jakob Fuchs und dessen Bruder Werner Fuchs gegründet, um den ausgemusterten Maschinen ein Denkmal zu setzen.
Lieblingslok in Klein
Damals brachten noch weitere vier technikaffinen Mitglieder ihr Wissen ein, um die Originale maßstabgetreu in Kindsgröße nachzubauen und in Betrieb zu setzen. „Zu Beginn habe ich noch mit einer echten ausgemusterten ,01‘ geliebäugelt“, verrät Willi Strasser. Die Deutsche Bundesbahn hätte dem heute 82-Jährigen die Lieblingslok für 24.000 D-Mark überlassen. „Aber der Kauf wurde mir dann doch zu heiß“, lacht er. Nun hat er die „01“ in Klein.
Strasser ist der letzte der Gründungsmitglieder, der eine Lokomotive noch zu bauen weiß – von der Zeichnung des Plans über den Zuschnitt und Guss der Bauteile bis zur Montage. Seine Frau Liliane verleiht den Prachtstücken die traditionelle Farbe und kümmert sich um alle anderen Aufgaben, die rund um die Werkstatt und den Park anfallen. Zusammen halten sie die Erinnerung an die Dampfrösser am Leben.
Freude an Ausfahrten
Höhepunkte sind die Ausfahrten der bis zu 400 Kilogramm schweren Modelle auf dem clubeigenen Gelände – wie an Pfingsten. Hunderte kamen, um sich auf dem 330 Meter langen, von Hand gefertigten Schienennetz durch das Grün fahren zu lassen und bei Kaffee und Kuchen entspannte Stunden zu verbringen. „Zu erleben, dass die Besucher unsere Begeisterung teilen, ist Lohn für alle Mühen“, betont Liliane Strasser. Dabei setzen sich nicht selten die Jugendlichen von damals mit ihren Enkelkindern in einen der vier Waggons.
1977 war der 60 Ar große Park noch ein brachliegendes Gelände. Als es der Dampfbahn-Club pachtete, witterten die Auenheimer Ungemach. „Sie waren überzeugt, dass wir einen zweiten Europa-Park planen“, schmunzelt Willi Strasser. „Andere hielten uns einfach nur für verrückt.“ „Außergewöhnlich“ wäre der trefflichere Begriff gewesen. Denn die Mühen und Kosten, die das Ehepaar investieren, sind kaum zu beziffern.
Regelmäßige Wartung
Bereits die Restauration und Wartung der fünf Lokomotiven, die von 1977 bis 2000 entstanden sind, bedeuten heikle Millimeterarbeit. „Heute gibt es immer weniger Betriebe, die Ersatzteile herstellen“, bedauert Willi Strasser. Zwar hat er sich viele Gerätschaften und Werkzeuge selbst angeschafft, aber nicht alles lässt sich in der häuslichen Keller-Werkstatt erledigen. Das meiste macht er dennoch selbst – bis heute.
Arbeit gibt es zuhauf, besonders nach Pfingsten. Am Samstag ließ die Dampflok „01“ die Strassers im Stich. Sie blieb einfach stehen. Der leidenschaftliche Tüftler ist untröstlich: „Ich habe sie zuvor auf Herz und Nieren geprüft.“ Als dann am Pfingstmontag auch noch die elektrobetriebene Diesel-Lok, die er ersatzweise an den Zug gekoppelt hatte, streikte, war die Enttäuschung groß. „Was rastet, das rostet“, resümiert der 82-Jährige, wobei der Spruch durchaus wörtlich zu nehmen sei. Die Corona-Pause hatte den Maschinen nicht gutgetan.
Schwarzer Kopf
Der gebürtige Offenburger gibt sich jedoch nicht geschlagen und krempelt die Ärmel hoch. Die Loks werden wieder in Schuss gebracht. „Wo ein Wille, da ist auch ein Weg“, so seine Devise. Seine Faszination zu alten Lokomotiven ist fast so alt wie er selbst. Als kleiner Junge streckte er bei den Fahrten von Donaueschingen ins Rheintal immer den Kopf zum Fenster raus, um sie pausenlos betrachten zu können. „Wenn sie in einen Tunnel fuhren, blies mir der schwarze Kohlerauch ins Gesicht“, lächelt Strasser. Mit schwarzem Kopf und leuchtenden Augen stand er anschließend auf dem Bahnsteig und bewunderte die Riesen aus der Nähe.
Dampfbahn-Club Auenheim
Am 26. Oktober 1977 endete die Ära der deutschen Dampflokomotiven. Dies war die Geburtsstunde des Dampfbahn-Clubs Auenheim, der sich auf den Nachbau der Dampfrösser spezialisierte.
In Auenheim wandelte er ein 60 Ar großes Brachland in einen Park um und legte Teststrecken für die Modelle an. Von den ursprünglich acht Mitgliedern sind noch Willi und Liliane Strasser übrig, die ihr Hobby aus eigener Tasche finanzieren. Freunde und Förderer unterstützen das Ehepaar bei Veranstaltungen.
AUS: bo.de
VON: Silke Keil